Zum Hauptinhalt springen
  1. Forschungsthemen/

Negative valence system

Das Negative Valence System ist primär für Reaktionen auf aversive Situationen verantwortlich und umfasst die Konstrukte akuter Bedrohung, potenzieller Bedrohung, anhaltender Bedrohung sowie Verlust und frustrierenden Nicht-Belohnung. Das System akuter Bedrohung steht in Zusammenhang mit dem defensiven Motivationssystem, das den Organismus vor wahrgenommenen Gefahren schützt und adaptive Reaktionen initiiert. Das System frustrierender Nicht-Belohnung wird durch den Entzug oder die Verhinderung erwarteter Belohnungen ausgelöst, was zu einer Erregung führen kann, die die normale Regulationskapazität übersteigt und somit aggressive oder antisoziale Reaktionen auslösen kann.

Wir stellen die Hypothese auf, dass eine wahrgenommene oder potenzielle Gefahr bei Personen mit Überempfindlichkeit gegenüber Bedrohungen eine Kampfreaktion auslösen kann. Ebenso kann aggressives Verhalten eine Reaktion auf Frustration sein. Ärger als Reaktion auf frustrierende Nicht-Belohnung kann aggressive Verhaltensweisen fördern. Untersuchungen zu diesem Thema werden sich damit befassen, ob die aggressive Reaktion durch verstärkte und veränderte Bottom-up-Signalisierung von Bedrohungsreizen und/oder frustrierender Nicht-Belohnung bestimmt wird und wie sich dies auf neuronaler, neurochemischer und hormoneller Ebene widerspiegelt. Der Fokus liegt auf der Identifizierung spezifischer Negative Valence System-Dysfunktionen, die für Aggression bei psychischen Erkrankungen relevant sind.

Projects


A01: Der neuronale Code stimulusgetriggerter territorialer Aggression

Ein einzigartiges experimentelles Modell wird verwendet, um die neurobiologische Basis aggressiven Tierverhaltens zu untersuchen und neue Erkenntnisse über dessen zelluläre und schaltkreisbedingte Grundlagen auf menschliche Phänotypen pathologischer Aggression zu übertragen. Insbesondere ermöglicht das Modell sozialer Isolation nach dem Absetzen, den „Schalter" von funktionaler adaptiver Aggression zu exzessivem pathologischem aggressivem Verhalten experimentell zu untersuchen. Bei männlichen Mäusen lösen artspezifische Chemostimuli angeborenes aggressives Verhalten aus. Die relevanten aggressionsfördernden Schaltkreise entlang der (sensorischen) Input- zu (aggressiven) Output-Achse umfassen den akzessorischen Bulbus olfactorius (AOB), ein Zentrum für die Verarbeitung sozialer Chemosignale, und die mediale Amygdala (MeA), ein wichtiges Kontrollzentrum für die Regulation aggressiven Verhaltens. Daher befasst sich dieses Projekt mit den Prinzipien, die den aggressionsfördernden Informationstransfer entlang des AOB-zu-MeA-Signalwegs steuern.

A02: Kontexteffekte auf Bedrohungsverarbeitung in Abhängigkeit von Testosteronspiegeln

Der Fokus liegt auf den Einflüssen eines provozierenden Kontexts auf die soziale Bedrohungsverarbeitung bei AMD unter unterschiedlichen Testosteronspiegeln. Insbesondere zielt das Projekt darauf ab, die modulierende Funktion von Kontext unter Testosteronanwendung versus -suppression auf Bedrohungssensitivität bei gesunden Kontrollpersonen sowie Patientengruppen zu analysieren. Zusätzlich werden wir den Einfluss endogener Hormonvariationen (Testosteron, Oxytocin, Östrogen und Cortisol) auf NVS bei hoch- versus niedrig-aggressiven Patienten in einer großen Patientengruppe untersuchen, die in Q01 rekrutiert wird. Mit dieser Stichprobe werden wir versuchen, multidimensionale Biosignaturen basierend auf Hormonspiegeln in Kombination mit fMRT-Messungen von Amygdala und Amygdala-präfrontaler Konnektivität, NVS-Messungen durch Fragebögen, Aggressionsmessungen und psychopathologischen Daten zu identifizieren.

A03: Modulation von Aggression durch akute Bedrohung

Die neuronalen und neurochemischen Muster akuter Bedrohung als Modulatoren von Aggression bei BPD werden in diesem Projekt untersucht. Die Modulation aggressiver Reaktionen unter akuter Bedrohung wird durch das Threat-of-Shock-Paradigma induziert. Die zentrale translationale Forschungsfrage ist, ob und wie aggressive Reaktionen durch Bedrohung moduliert werden und welche neurofunktionellen und neurochemischen Muster diesen Reaktionen während sicherer und bedrohlicher Bedingungen zugrunde liegen. MR-Spektroskopie wird bei Patienten eingesetzt, um Glutamat- und GABA-Spiegel zu erfassen. In einem weiteren translationalen Ansatz werden die am wenigsten und am stärksten aggressiven/impulsiven rekombinanten Inzucht-Mauslinien, die in C01 in Frankfurt identifiziert wurden, in Mannheim mit tierischer MR-Spektroskopie bei 9,4T getestet, um die Beziehung zwischen Glutamat, GABA, Impulsivität und Aggression in diesen Mauslinien sowie in vergleichbaren Hirnregionen zu bestimmen und neurofunktionelle und neurochemische Muster zu erfassen.

A04: Implizite chemosensorische Bedrohungssignale als Stimulatoren von Amygdala-Hyperresponsivität bei AMD

Wir nutzen bedrohungsbezogene chemosensorische Stimuli, nämlich Körpergeruch, der während aggressivem Verhalten (Boxen) erworben und unbewusst wahrgenommen wird, um erhöhte Amygdala-Reaktionen auf Bedrohungsreize bei aggressiven Patienten zu untersuchen. Körpergerüche haben den großen Vorteil, direkt in die Amygdala projiziert zu werden und dabei kortikale Vorverarbeitung zu umgehen, wodurch die Differenzierung von Mechanismen zwischen bottom-up veränderter limbischer Verarbeitung und top-down modulierter veränderter kognitiver Bewertung ermöglicht wird. Wir untersuchen das Potenzial solcher Körpergerüche, Reaktionen auf ambigue visuelle soziale Hinweise in Richtung Bedrohung zu verzerren, sowie ihre Effekte während Verletzungen des peripersonalen Raums (PPS), wo sie besonders relevant sein könnten.

A05: Verletzungen des peripersonalen Raums und soziale Bedrohung: psychologische und neuronale Mechanismen des Umweltrisikos für reaktive Aggression im Alltag

Der peripersonale Raum, die Repräsentation des Raums unmittelbar um den Körper herum, wird als zugrunde liegender Faktor für Bedrohungserleben untersucht. Frühe Lebensstressoren und Alltagsstressoren werden als Faktoren getestet, die PPS-Verarbeitung und assoziierte spezifische Hirnaktivierungsmuster beeinflussen. Standortverfolgung und geoinformatisches Mapping, Virtual-Reality (VR)-Experimente, physiologische Stressmarker und Hirnfunktion während der Verarbeitung von PPS-Verletzungen bei gesunden Risikopersonen werden verwendet, um prädiktive Biomarker zu identifizieren, die mit psychiatrischem Risiko, erhöhter neuraler Verhaltenssensitivität gegenüber PPS-Störungen und reaktiver Aggression im Alltag zusammenhängen.

A06: Entschlüsselung dynamischer reziproker neuronaler Mechanismen reaktiver Aggression: Erkenntnisse aus fMRT- und fNIRS-Hyperscanning

Das Projekt setzt fMRT- und funktionelle Nah-Infrarot-Spektroskopie (fNIRS) Hyperscanning-Techniken ein, um zu erforschen, wie Gehirn-zu-Gehirn-Synchronisation und dynamische Prozesse innerhalb von Peer-Dyaden aggressives Verhalten unter verschiedenen Provokationsebenen bei jugendlichen Patienten und Kontrollen fördern oder hemmen. In zwei vollständig interaktiven Aufgaben werden wir aggressives Verhalten gegenüber einem Aufgabenpartner untersuchen und den Aufbau von zwischenmenschlichem Vertrauen/Misstrauen mittels eines sozialen Interaktions- und wirtschaftlichen Austauschparadigmas quantifizieren. Diese Paradigmen werden innerhalb von Dyaden in fMRT-Hyperscanning-Umgebungen eingesetzt und durch gruppenbasierte fNIRS-Methoden in Triaden erweitert, um Auswirkungen von Gleichaltrigen, sozialer Ausgrenzung und Koalitionen auf aggressives Verhalten in semi-naturalistischen Interaktionen zu untersuchen. Die neuronale Synchronisation zwischen den Gehirnen wird berechnet und mit alltäglichen sozialen Erfahrungen und individuellen Prädispositionen in Beziehung gesetzt, um Marker für die Vorhersage aggressiven Verhaltens zu identifizieren.

A07: Die intestinale Mikrobiota als Regulator von aggressivem und impulsivem Verhalten

Dieses translationale Projekt untersucht geschlechtsabhängige Verhaltenseffekte der fäkalen Mikrobiota-Transplantation von AMD-Patienten (ausgewählt basierend auf ihren aggressiven und impulsiven Merkmalen aus Q01) sowie gesunden Kontrollpersonen an mikrobiomdepletierte Mäuse. Impulsivität wird über den Continuous Performance Test und Reaktionen auf akute Bedrohung über den Escalated Resident Intruder Test erfasst. Das Ziel ist, die geschlechtsabhängigen Effekte der fäkalen Transplantation auf ausgewählte Parameter zu bestimmen, die am Transfer des Patientenphänotyps auf die Mäuse beteiligt sind, wie Immunparameter, Sexualhormone, neuronale Aktivität (und Morphologie, z.B. Neuritenwachstum, Spines usw.) und Genexpression (z.B. Rbfox1 aus früheren Studien und neue Kandidaten aus C01 und C04).

A08: Die metabolische Lungen-Hirn-Achse bei aggressivem Verhalten bei Patienten mit AMD

Beta-Hydroxy-Butyrat (BHB), ein Ketonkörper, ist negativ mit aggressivem Verhalten assoziiert. BHB ist ein Metabolit und ein aktives Signalsubstrat, das an der epigenetischen Regulation von z.B. neurotrophen Faktorgenen im Gehirn beteiligt ist. Von den drei Hauptketonkörpern Aceton, Acetoacetat und BHB ist Aceton eine sehr flüchtige Verbindung, die hauptsächlich über die Atmung ausgeschieden wird und daher nicht-invasiv in der Atemluft gemessen werden kann. Eine Reduktion von Aceton in der Atemluft korreliert nachweislich stark mit BHB im Blut und ist mit dem Schweregrad der Symptome bei Schizophrenie assoziiert (Jiang et al. 2022). Mittels MR-Spektroskopie zielt A08 darauf ab, (1) festzustellen, ob Aceton und andere flüchtige organische Verbindungen in der Atemluft mit Aggression und akuter Bedrohungsverarbeitung bei psychischen Erkrankungen assoziiert sind, (2) zu untersuchen, ob diese Atemmarker mit direkten metabolischen Hirnkorrelaten (wie BHB, Glutamat) und mit dem brain-derived neurotrophic factor (BDNF)-Spiegel im Plasma assoziiert sind. In einem translationalen Ansatz werden wir (3) testen, ob die Supplementierung von BHB aggressives Verhalten bei Mäusen reduziert.